Lieferengpässe

Lieferengpässe bei IT-Produkten drohen bis weit ins Jahr 2021

Corona-Krise erreicht ITK-Branche

Grafikkarten, Spielkonsolen, Webcams: Viele Hardware-Komponenten kann man nicht kaufen, weil die Lager leer sind – und es sind weitere Probleme absehbar.
21.12.2020 06:00 Uhr c't Magazin
Von   Christian Hirsch,  Christof Windeck

Als Feedback auf die PC-Bauvorschläge in Ausgabe 24/2020 der c’t erreichen die Redaktion täglich verzweifelte Fragen nach Alternativen zu zahlreichen Bauteilen, die nicht zu bekommen sind. Das betrifft nicht nur Neuheiten wie die Ryzen-5000-CPUs von AMD oder die Grafikkarten der Serien AMD Radeon RX 6000 und Nvidia GeForce RTX 3000, sondern auch schon lange im Handel befindliche Komponenten wie PC-Gehäuse, Netzteile und SSDs.
Kaum lieferbar sind außerdem die neuen Spielkonsolen Sony PS5 und Microsoft Xbox Series X/S sowie schon seit Monaten Drucker und Webcams. Die Lieferengpässe haben unterschiedliche Ursachen, von denen manche noch monatelang nicht beseitigt werden dürften. Und für das kommende Jahr 2021 werden neue Knappheiten befürchtet – aber der Reihe nach.

Corona-Nachfrage
Webcams und günstige Drucker sind schon seit Monaten knapp, weil die Corona-Pandemie einen Boom bei Heimarbeit und Videokonferenzen auslöste. Dadurch wiederum schoss die Nachfrage in die Höhe und die Hersteller konnten nicht schnell genug neue Ware produzieren. Anfangs waren einige chinesische Auftragsfertiger noch selbst von Problemen durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt und konnten nicht so viel produzieren wie zuvor. Doch selbst wenn das gelingt, dauert der Transport von den asiatischen Herstellern in die Lager der Einzelhändler in Europa eine Weile: Viele billige Produkte kommen per Container auf Frachtschiffen auf dem Seeweg nach Europa, was einige Wochen dauert. Seefracht war zudem jahrelang sehr billig zu haben, doch das hat sich geändert, weil es Probleme mit der Luftfracht gibt: Dort brachen die Kapazitäten ein. Ein Teil der internationalen Luftfracht wird nämlich an Bord von Passagierflugzeugen transportiert, von denen seit dem Frühjahr viel weniger fliegen.

Der drastische Anstieg der Heimarbeit ließ auch die Nutzung von Clouddiensten und Videokonferenzanwendungen explodieren. Diese beanspruchen zusätzliche Serverkapazitäten, weshalb Hyperscaler wie Amazon, Google und Microsoft ihre Rechenzentren auch im kommenden Jahr weiter aufrüsten werden.

Kapazitätsgrenzen
Zum Teil stehen sich die Hersteller aber auch selbst im Weg. Nur wenige Chiphersteller fertigen noch selbst. Die Fertigungskapazitäten konzentrieren sich deshalb auf eine Handvoll Firmen wie die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) oder Samsung aus Südkorea.

AMD lässt seine Prozessoren und Grafikchips bei TSMC herstellen, wo nun aber zusätzlich zu den neuen Ryzens und Radeons auch noch die Konsolenchips für die wichtigen PS5 und Xbox Series X/S vom Band laufen. Eine durch Corona unerwartet hohe Nachfrage trifft also zusätzlich auf eine ungewöhnliche Fülle neuer Produkte. Nvidia lässt seine GeForce-RTX-3000-Chips zwar bei Samsung fertigen, dort soll die Ausbeute aber nicht so hoch sein wie erwartet, was von Nvidia-Chef Jensen Huang trumpesk dementiert wird: "Wir fahren die Produktion wirklich, wirklich stark hoch. Die Ausbeute ist großartig. Die Lieferzahlen sind fantastisch. Sie werden bloß sofort ausverkauft."

Krisenprofiteure
Die Händler gehen mit der Hardwareknappheit ambivalent um. Zum einen leiden sie unter ausbleibenden Lieferungen. Der dänische Onlinehändler Proshop veröffentlicht tagesaktuelle Zahlen zu den georderten und tatsächlich gelieferten Grafikkarten. Von rund 3800 bestellten Radeon RX 6800 und 6800 XT sind mit Stand 9. Dezember lediglich 125 eingetroffen.

Zum anderen nutzen einige Händler die Knappheit für den eigenen Profit, indem sie die wenigen verfügbaren Exemplare für Mondpreise verkaufen. Für den 12-Kerner Ryzen 9 5900X musste man bei Redaktionsschluss einen 80-prozentigen Aufschlag zahlen, sodass die CPU statt 550 unverschämte 1000 Euro kostete.

Ausblick
Eine Entspannung der Liefersituation bei Hardwarekomponenten ist derzeit nicht absehbar. Durch die weltweit anlaufende Impfstoffverteilung werden Transportkapazitäten auch im ersten Halbjahr 2021 knapp sein. Die Auftragsfertiger arbeiten ebenfalls am Anschlag und sind für lange Zeit ausgebucht. Im nächsten Jahr erscheinen neue Server-Prozessoren wie die dritte Epyc-Generation "Milan" von AMD und bei Intel die Ice-Lake-Xeons, die Wafer-Kapazitäten beanspruchen, die sonst Consumer-CPUs zur Verfügung stehen würden.
Share by: